Moderne Krippe schmückt die Citykirche
Jugendliche verlegen Christi Geburt in die Gegenwart
Von Alexander Thieme-Garmann
Koblenz. Wenn der Kirchenbesucher an eine Weihnachtskrippe denkt, hat er für gewöhnlich einen Stall vor Augen, in welchem das Jesuskind in einem Futtertrog, der Krippe, liegt. Neben den gesetzten Figuren von Maria und Josef bestimmen meist Engel und Weise, Hirten und Schafe sowie Ochse und Esel die neutestamentarische Szene.
Einen anderen Ansatz sucht Sabine Gabor. Die Koblenzer Künstlerin kreiert seit fünf Jahren zusammen mit Jugendlichen die Krippe der Citykirche am Jesuitenplatz. Hier wählt sie gemeinsam mit Hausherrin Monika Kilian Jahr für Jahr den geeigneten Aufstellungsort innerhalb des Gotteshauses aus.
Die neun Figuren im Maßstab 1:20, darunter ein Hund, haben die jungen Künstler aus Pappmaché gefertigt, anschließend bemalt und mit textilen Accessoires versehen. Sie zeigen im Zentrum Maria und Josef, letzterer das mit einem Schnuller ausgestattete Jesuskind auf dem Arm haltend. Während Maria ihren Sprössling im roten Minikleid der 1960er Jahre begutachet, übt der vollbärtige Josef seine tragende Rolle leger in Hemd und Blue Jeans aus.
Derweil wird das Trio von sechs Gestalten flankiert, die ebenso wenig als historische Stallbesucher in Frage kommen. So ist etwa eine hippe Großmutter mit Sonnenbrille und Leopardenfell am Geschehen beteiligt. Auch ihr mit einem Ankertattoo versehener Enkel bereichert im Muskelshirt die Szenerie. Der Krippenbetrachter entlarvt das Gangmitglied leicht als einen der Weisen aus dem Morgenland, denn er trägt vor sich den Stern von Bethlehem.
Auch jenseits ihrer modisch extravaganten Erscheinung hebt sich die Entourage von gängigen Krippenkonstellationen ab. So stehen die übrigen Figuren, im Rücken der heiligen Familie angeordnet, etwas abseits vom Geschehen. Beinahe könnte man ihnen diesbezüglich ein mangelndes Interesse unterstellen.
Indessen interpretiert Gabor, stellvertretend für ihre jungen Künstler, die Situation wie folgt: “Die Zeugen der Geburt sind in sich versunken, denn die heutige Zeit ist geprägt von Kriegen, Hunger und Naturkatastrophen. Die Probleme der Gegenwart drücken somit ihre Spuren auch in die heile Welt der klassischen Krippe.”
Die Darstellung der einzelnen Figuren ist das Ergebnis der persönlichen Auseinandersetzung der Projektteilnehmer mit klassischen Krippendarstellungen. “Die Betrachter werden eingeladen, das Fest der Geburt Jesu Christi in unsere heutige Zeit hinein zu verlagern und zu deuten”, betont Gabor.
Die Krippe ist das Ergebnis von Gabors Gemeinschaftsprojekt mit jungen Erwachsenen, entstanden in der Kreativwerkstatt der VIVAA. Die Abkürzung steht für “Vorstellen von beruflichen Perspektiven, Integrationsarbeit, Vermittlung in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt”. VIVAA wiederum ist ein Projekt der “Gesellschaft zur Förderung beruflicher Integration” (GFBI). Die Maßnahme wird gefördert durch die Agentur für Arbeit Mayen-Koblenz.
Folgende neun Nachwuchskünstler haben in diesem Jahr mitgewirkt: Sam Pestner, Levio Kukies, Julia Zogaj, Fitim Zenuni, Drini Rexaj, Ness Engels, Emma Johannes, Benjamin Jacobs und Jean-Jaques Plath.
RZ 16.12.2023